Kinder und Jugendliche haben nach geltendem Recht einen verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch auf Schutz vor Gefahren für ihr Wohl (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG; § 1 SGB VIII). Besonders gravierende Risiken ergeben sich im Bereich des sexuellen Missbrauchs. Das Strafgesetzbuch (StGB) sowie das Kinder- und Jugendschutzrecht des Sozialgesetzbuches VIII (SGB VIII) bilden das Kernstück des Schutzes, ergänzt durch aktuelle bundes- und landesrechtliche Reformen.

Die Neuauflage dieses Artikels von Becker analysiert die aktuelle Rechtslage 2025 in Deutschland, zeigt repressive Instrumente des Strafrechts sowie präventive Maßnahmen der Jugendhilfe und der Schulen auf und verdeutlicht, welche Handlungspflichten und Möglichkeiten für Schulleitungen bestehen. Zugleich werden die neuesten Gesetzesänderungen und bildungspolitischen Entwicklungen berücksichtigt.

 

Problemsituation

Mehrere spektakuläre Fälle (z. B. Staufener Missbrauchsfall, Lügde) haben seit 2018 verdeutlicht, dass Kinder und Jugendliche trotz bestehender gesetzlicher Regelungen in besonderem Maße gefährdet sind. Die polizeilich erfassten Fälle sexuellen Missbrauchs bewegen sich nach Angaben des Bundeskriminalamtes weiterhin im fünfstelligen Bereich.

Neuere statistische Erhebungen (BKA 2023) zeigen zwar einen Rückgang bei klassischen Missbrauchsdelikten, gleichzeitig jedoch eine massive Zunahme digitaler Gefährdungen (Cybergrooming, Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen in Online-Netzwerken).

Die Problemsituation lässt sich in drei Kernaspekte gliedern:

  • Fortbestehende Vollzugsdefizite bei Jugendämtern, Polizei und Justiz, die trotz gesetzlicher Reformen nicht immer frühzeitig eingreifen.

  • Neue digitale Tatbegehungsformen, die eine schnelle Anpassung des Sexualstrafrechts und eine verstärkte Schulung von Lehrkräften erforderlich machen.

  • Steigende Anforderungen an Schulen, frühzeitig Verdachtsmomente zu erkennen und in Kooperation mit Jugendämtern sowie Kinderschutzbeauftragten zu handeln.

Für Schulleitungen ergibt sich daraus die Pflicht, sowohl das Kollegium regelmäßig über die rechtlichen Grundlagen (insbesondere Meldepflichten gem. § 4 KKG) zu informieren als auch Strukturen zur Krisenintervention vorzuhalten.

Der Staufener Missbrauchsfall
Im badischen Staufen wurden im Jahre 2015 ein dreijähriges Mädchen und ein siebenjähriger Junge von seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten sexuell missbraucht. Der Frau und ihrem Lebensgefährten wird vorgeworfen, sowohl einzeln als auch gemeinsam sexuelle Handlungen an den beiden Opfern vollzogen zu haben. Darüber hinaus haben die beiden den Jungen gezielt und gegen Geld an weitere Täter vermittelt, die das Kind missbrauchten, quälten, erniedrigten und dabei filmten. Der Lebensgefährte und die Mutter waren teilweise selbst an den Übergriffen durch Dritte beteiligt. Der Junge ist von diesen und von seiner Mutter vor der Kamera mit roher Gewalt misshandelt und vergewaltigt worden. Neben körperlicher Gewalt wurde er auch mit der Drohung, im Fall einer Verweigerungshaltung in ein Erziehungsheim zu müssen, unter Druck gesetzt.

Der Tatvorwurf lautete „Sexueller Missbrauch von Kindern, schwere Vergewaltigung, schwere Zwangsprostitution sowie Verbreitung, Besitz und Erwerb kinderpornografischer Schriften“.
2018 wurden die Mutter zu zwölfeinhalb Jahren Haft und deren Lebensgefährte zu zwölf Jahren verurteilt (Landgericht Freiburg Aktenzeichen 6 KLs 160 Js 30250/17 AK 4/18).

 

Der rechtliche Rahmen: Repression und Prävention

            Das Sexualstrafrecht in Einzelregelungen

                    Präventive Instrumente des Kinder- und Jugendhilferechts und Rolle der Schulen

                            Handlungsempfehlungen für Schulleitungen und Lehrkräfte