Psychische Gesundheit in der Schule fördern
Zusammenfassung
Es braucht das ganze Dorf: Psychische Gesundheit im Schulalltag
Psychische Erkrankungen früh erkennen
- Ca. 20 % der Kinder und Jugendlichen zeigen Anzeichen psychischer Erkrankungen.
- Früherkennung sichert Teilhabe an Bildung und ein selbstbestimmtes Leben.
- Schule ist ein zentraler Lebensort und damit wichtiger Beobachtungsraum.
- Ziel ist nicht Diagnostik, sondern Einordnung von Auffälligkeiten und Einleitung von Hilfe.
Warnsignale im Schulalltag erkennen
- Entscheidend sind Verhaltensveränderungen über mehrere Wochen, nicht einzelne „schlechte Tage“.
- Hinweise: Rückzug, Gereiztheit, Leistungsabfall, vermehrtes Fehlen oder überangepasstes Verhalten.
- Auffällige Unterschiede im Sozialverhalten im Vergleich zur Lerngruppe sind Warnsignale.
- Lehrkräfte sollen beobachten, einordnen und dann das Gespräch suchen.
Kultur des Hinschauens und klare Strukturen
- Veränderungen ansprechen, ernst nehmen – ohne Dramatisierung.
- Zuständigkeiten klären: Wer ist Ansprechperson bei Krisen, wie läuft der Informationsfluss?
- Externe Hilfen (Schulsozialarbeit, Schulpsychologie, Beratungsstellen) systematisch einbinden.
- Niedrigschwellige Maßnahmen: Aushänge, Kärtchen mit Anlaufstellen, sichtbare Hilfsangebote.
Gespräche mit belasteten Jugendlichen führen
- Lieber einmal zu früh ansprechen als zu spät – stets wertschätzend und ohne Diagnose-Vermutung.
- Rahmen: Ruhe, Zeit, keine Öffentlichkeit („Mir ist aufgefallen, dass … Wie geht es dir?“).
- Kein Bagatellisieren („Ist doch nicht so schlimm“) und keine vorschnellen Lösungen.
- Ziel: zuhören, Beobachtungen spiegeln, gemeinsam nächste Schritte überlegen.
Eltern als Partner und nicht als Gegner
- Gespräche frühzeitig führen, nicht erst in der akuten Krise.
- Mit Stärken des Kindes starten, dann konkrete Beobachtungen schildern.
- Fokus auf gemeinsame Unterstützung statt Schuldzuweisungen.
- Emotionale Reaktionen der Eltern als Ausdruck von Sorge und Überforderung verstehen.
Selbstfürsorge von Schulleitungen und Kollegium
- Warnsignale: anhaltende Erschöpfung, Schlafprobleme, Gereiztheit, innerer Rückzug.
- Selbstfürsorge professionalisieren: Pausen, Grenzen, Tageslicht, Bewegung fest einplanen.
- Kultur etablieren, in der psychische Gesundheit auch für Mitarbeitende thematisiert wird.
- Supervision, Coaching und externe Beratung als selbstverständliche Entlastungsangebote nutzen.
Fazit
- Schulleitungen können eine Schule der Achtsamkeit etablieren, in der Veränderungen gesehen und angesprochen werden.
- Klare Zuständigkeiten, bekannte Hilfsangebote und Gesprächsleitfäden geben Handlungssicherheit.
- Durch bewusste Elternarbeit und kollegialen Austausch werden Belastungen früh erkannt und geteilt.
- Wer selbst gut für sich sorgt, kann Schülerinnen, Schüler und Kollegium in Krisen verlässlich begleiten.
Psychische Gesundheit in der Schule fördern – Ein Interview mit Alix Puhl von tomoni mental health
| Rechtsanwältin und Fachbeiratsmitglied Alix Puhl im Interview |
![]() © tomoni Alix Puhl ist Juristin und seit über 20 Jahren ehrenamtlich im Bildungsbereich engagiert. 2022 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann die gemeinnützige tomoni mental health gGmbH. Mit dem Leitsatz „Es braucht das ganze Dorf“ verfolgt sie die Vision einer Gesellschaft, in der Anzeichen psychischer Krisen und Erkrankungen frühzeitig erkannt und junge Menschen selbstverständlich wirksam unterstützt werden. Im Gespräch mit der Redaktion berichtet sie über die Bedeutung früher Warnsignale und konkrete Maßnahmen, mit denen Schulen Kinder und Jugendliche unterstützen können. |
Wer ist „das ganze Dorf“?
Ihr Buch heißt: „Es braucht das ganze Dorf“. Was meinen Sie damit und was bedeutet das für den Schulalltag?
Alix Puhl: In unserem Buch geht es um die Früherkennung von Anzeichen psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Etwa 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen sind betroffen. Je früher eine Erkrankung erkannt wird, desto besser kann sie behandelt werden. Das sichert Teilhabe an Bildung und eröffnet Chancen auf ein selbstbestimmtes, zufriedenes Leben.
Da Kinder und Jugendliche einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule verbringen, spielen die Erwachsenen dort eine zentrale Rolle. Und zwar nicht nur Lehrkräfte: Alle im System Schule machen relevante Beobachtungen. Lehrkräfte bemerken Konzentrationsschwierigkeiten, das Sekretariat registriert häufige „Bauchweh“-Meldungen, Mitarbeitende der Schulhausverwaltung sehen lange Aufenthalte in den Toiletten, Vertretungslehrkräfte lesen besorgniserregende Texte.
Auf den ersten Blick wirken diese Beobachtungen oft wie kleine Details. Aber genau in solchen schleichenden Veränderungen zeigen sich psychische Erkrankungen häufig. Mit „Es braucht das ganze Dorf“ möchten wir allen im System Schule Handlungssicherheit geben, nicht, um Diagnosen zu stellen, sondern um Beobachtungen einzuordnen, Anzeichen zu erkennen und rechtzeitig Hilfe auf den Weg zu bringen. Wir möchten Mut machen: Jeder Einzelne kann einen Unterschied machen – und das Dorf zusammen erst recht.
„Das Wichtigste: eine Kultur des Hinschauens etablieren.“
Wie geht das konkret? Gibt es Warnsignale, auf die Lehrkräfte und Schulleitungen achten sollten?
Alix Puhl: Das Wichtigste sind Verhaltensveränderungen. Dinge, die vorher nicht da waren oder sich deutlich verstärken. Das kann Rückzug sein, Gereiztheit, nachlassende Leistungen, häufiges Fehlen. Manchmal auch das Gegenteil: auffällig angepasstes Verhalten. Dabei geht es nicht um einzelne schlechte Tage, sondern um Entwicklungen über mehrere Wochen. Auch wenn jemand im Vergleich zur Klasse stark aus dem sozialen Miteinander herausfällt, sollte man genauer hinschauen. Unser Buch hilft, solche Beobachtungen einzuordnen und zeigt konkret, wann und wie man das Gespräch suchen sollte.
| Der Praxisratgeber zum Thema |
| Alix Puhl / Dr. Arne Bürger: Es braucht das ganze Dorf. Zusammen für psychische Gesundheit an Schulen. RAABE, 2025. |
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